Loveparade: Security-Mitarbeiter packt aus: „Rentner mit Gehfehler als Ordner eingesetzt“

1080 Ordner von vier unterschiedlichen Firmen sollten auf der Loveparade für die Sicherheit der Raver sorgen. Einer davon war Ralf D. (40, Name geändert). Er ist verantwortlicher Mitarbeiter eines Security-Dienstes, hat zehn Jahre Berufserfahrung mit Großveranstaltungen. In BILD packt er aus: „Für die Veranstalter waren nur zwei Sachen wichtig: Die Floats dürfen nicht stoppen und niemand, wirklich niemand, darf ohne Befehl die Notausgänge öffnen!“

• Ralf D's Dienst begann um 7 Uhr. „Wir bekamen Schnellhefter mit den wichtigsten Regeln. Das Wichtigste waren die gesperrten Notausgänge. Sie sollten auf jeden Fall geschlossen bleiben, durften nur geöffnet werden, wenn Veranstalter oder Polizei den Befehl dazu geben. Zur Gefahr des Tunnels stand da nichts.“

• Bis 12 Uhr waren alle 1080 Mitarbeiter auf ihren Positionen. „Da waren Jugendliche bei, fast noch Kinder. Sogar Rentner mit Gehfehlern standen da als Ordner. Schon am Vormittag sprach ich mit Feuerwehrmännern und Polizisten. Alle sagten: Das kann heute nicht gut gehen! Wir sprachen über den gefährlichen Tunnel, dass es nur einen Ein- und Ausgang an derselben Stelle gibt. Außerdem waren die Leute eingezäunt wie in einem Käfig.“

• Um 15.30 Uhr wurde es im Bereich der Rampe immer enger. „Außerdem fragten mich viele Besucher auf dem Gelände nach Wasser. Es gab wohl überall nur Bier und nur 26 Buden für eine Million Menschen.“

Gegen 16 Uhr spitze sich die Lage auf der Rampe dramatisch zu. „Ich bekam das nur durch Zufall mit. Ich sah, wie die ersten Menschen anfingen, Zäune niederzutrampeln. Ich dachte, das wären betrunkene Idioten, konnte ja nicht ahnen, dass sie um ihr Leben kämpften. Ich habe versucht, dort hinzukommen, brauchte für 140 Meter 40 Minuten. Die Polizisten waren völlig überfordert. Alle warteten auf Befehle, aber es kamen keine. Jeder hat nur noch versucht, irgendwie Leben zu retten. Die Leute kletterten plötzlich auf die Gitter und kippten damit in die Menge – die Eisenstangen waren später verknickt wie weiche Spaghetti.“

In den dramatischen Minuten, als die Menschen die Todestreppe hochkletterten, versucht Klaus D. weiter, Menschen zu retten. „Irgendwann lagen dann überall Leichen rum. Die Menschen strömten in alle Richtungen weg. Trotzdem kamen noch Partyleute, die über die Leichen stiegen, um zu feiern. Einer sagte zu mir: ‚Lass mich durch, ich bin zum Feiern hier.‘

Die Notausgänge oberhalb der Rampe wurden erst durch die Polizei geöffnet, als es schon zu spät war.“

• Als sich die Situation entspannt hatte, kam gegen 21.30 Uhr: „Die Veranstaltung wird um 22.30 Uhr beendet!“ Ralf D. erzählt: „Da kam von der Polizei die unfassbare Ansage, die Notausgänge im Norden und Westen wieder zu schließen. Wir sollten die mehreren 100 000 Feiernden auf dem Platz wieder Richtung Tunnel bringen. Es hieß dann, da wären ja auch noch Notausgänge. Denn sonst wären die Menschen zu nah am Bahnhof.“

Polizisten und Ordner weigerten sich. „Wir haben gesagt, dass wir das nicht machen. Wir schicken nicht wieder Menschen in den Tod.“

• Daraufhin beriet sich der Krisenstab erneut. Um 22.15 dann der Befehl: „Es bleibt, wie gehabt. Alle Besucher Richtung Süden treiben, mal sehen, wie das läuft!“

Die Notausgänge wurden wieder geschlossen. „Es war unfassbar, nach der Katastrophe so zu entscheiden. Doch zum Glück machten Polizisten um 22.45 Uhr die Notausgänge wieder auf. Der Druck war zu groß.

Wir sind damit das zweite Mal an einer Massenpanik vorbeigeschrammt.“